25 Jahre Gärtnerei Wiesenäcker: Spezialisiert auf Vielfalt und Qualität

Koppert & Ribbat im Gespräch

Portrait Elke Koppert & Roland Ribbat

Elke Koppert & Roland Ribbat

Frage: Ihr habt eure Gärtnerei 1990 gegründet. 2015 bestand der Betrieb seit 25 Jahren, aber ihr fandet keine Zeit, das Jubiläum zu feiern.

Koppert: Das stimmt. Wir hatten überhaupt keine Zeit zu feiern, obwohl wir allen Grund dazu gehabt hätten. Aber gerade sehen wir wieder Land. Es hat sich einiges verändert.

Frage: Ich war eben in eurem Hofladen. Draußen regnet es, aber der Laden ist voller Leute. Die Verkäuferin strahlt und ist sichtlich in ihrem Element. Füllt Fahrradtaschen, Rucksäcke, Kartons, Körbe mit Salat, Lauch, Kohlrabi, Radieschenbunden. Lief es in den letzten Jahren immer so gut?

Ribbat: Nein. Zwischendurch dachten wir, unsere Art von Betrieb – viele unterschiedliche Kulturen für die Versorgung des regionalen Marktes – sei ein Auslaufmodell.

Koppert: Der Trend geht auch im ökologischen Anbau konsequent in Richtung Monokulturen, Einsatz von Spezialerntemaschinen auf immer größeren Flächen, immer gleichförmigere Tätigkeiten, gearbeitet wird im Akkord. Ziel ist eine effizientere und kostengünstigere Großproduktion, aber es geht für die Produzenten nicht auf. Es ist wie bei der Milch.

Ribbat: Es machen trotzdem alle so, nicht nur unsere Kollegen hier. In Ungarn, Griechenland, Polen, Holland, Belgien, Marokko, Spanien werden Produktionsstätten für Bio-Gemüse zur Belieferung des deutschen Marktes geschaffen. Uns wurden schon Stellen als Betriebsleiter in Polen angeboten.

Koppert: Diese Spezialisierung führt in der Saison regelmäßig zum Überangebot. Weil man Erdbeeren, Bohnen, Tomaten nur kurze Zeit lagern kann, wird die Ernte dann unter den Produktionskosten abgegeben, und es kommt zum Preisverfall. Die Anbauer machen sich selbst den Markt kaputt.

Jahrelang haben wir den allgemeinen Preisrückgang für Gemüse durch Ausweitung des Anbaus versucht auszugleichen und immer mehr an den Großhandel geliefert. Aber für uns funktioniert das einfach nicht, unser Betrieb ist zu klein. Unsere Qualität ist zwar bestens, aber das wird vom Großhandel nicht honoriert. Es war furchtbar, jeden Tag die Dumpingpreise der Mitbewerber vorgehalten zu bekommen. 2013 haben wir entschieden, dass es so nicht weitergeht und wir unseren Betrieb wieder verkleinern.

Ribbat: Es ist gut gegangen, wir hatten richtig Glück.

Frage: Hat euch die Smoothiebewegung gerettet?

Ribbat: Da kam jetzt Verschiedenes zusammen. Manche kommen in unseren Hofladen, weil sie keine eingeschweißten Gurken und überhaupt nicht so viel Verpackung wollen. Viele junge Leute legen Wert auf regional erzeugte, frische, gute Ware, sie sehen und schmecken den Unterschied.

Ja und plötzlich essen viele Leute vegan. Oder machen sich Smoothies und interessieren sich für ökologisch angebautes Gemüse, obwohl sie mit Bio eigentlich nichts am Hut hatten. Aber sie haben einen Sinn für den Geschmack und wollen die ganze Pflanze verwenden. Deshalb verkaufen wir neuerdings junge Rote Bete mit Laub. Bei konventionell angebauter Rote Bete wären in dem Wuchsstadium Pestizidrückstände in den Blättern, bei uns gibt es so was nicht.

Koppert: Auch Kleinigkeiten spielen eine Rolle: Durch die Smartphones wird unser Hofladen jetzt leichter gefunden. Unsere Basis sind allerdings unsere langjährigen, oft sehr am Anbau interessierten Kundinnen und Kunden. Manche kommen sogar zu uns auf den Acker, um uns einmal persönlich zu sagen, wie sehr sie unser Gemüse und Obst schätzen. Das freut uns natürlich.

Frage: Kleiner werden, und alles wird gut – das hört sich genial einfach an …

Ribbat: So einfach ist es natürlich nicht.

Wir haben die Anbaufläche etwas reduziert und machen jetzt mehr Gründüngung. Oft auch nur noch eine Kultur in der Saison auf ein Beet statt zwei. Und wir schränken die Arbeit im Winter stärker ein, auch wenn wir ab November die Jungpflanzen für die nächste Saison vorziehen.

Koppert: Außerdem versuchen wir jetzt mehr, dem ruinösen Konkurrenzkampf auszuweichen. So nutzen wir den klimatischen Vorteil an der Bergstraße und bauen z. B. sehr frühe Buschbohnen an, die wir dann auch dem Großhandel ordentlich verkaufen können. Anderes bauen wir jetzt wieder an, Weiße Rettiche, Rhabarber, Bunten Mangold, aber nur in einer kleinen Menge für unseren Hofladen und den regionalen Handel.

Frage: Ihr macht also eher mehr Kulturen als weniger, und einiges auch eher in der Vor- und Nachsaison, wenn die Großproduzenten nicht den Markt beherrschen, verstehe ich das richtig?

Ribbat: Genau. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken und sind dadurch flexibler geworden. Und zwar gerade indem wir nicht in Spezialproduktionsanlagen investiert haben.

Koppert: Wir haben uns auf das besonnen, was wir gern machen und worin wir einen Sinn sehen: Gemüse und Obst in guter Qualität für die Region. Wir arbeiten ja beide selbst mit den Pflanzen und delegieren die Kulturführung nicht an Berater, wie das heute üblich ist. Wir haben sehr engagierte Leute, und die gute Stimmung im Betrieb trotz der vielen Arbeit kommt davon, dass wir alle alles machen vom Ansäen, Pflanzen bis zur Ernte. Das ist abwechslungsreich und befriedigend.

Ribbat: Meistens jedenfalls.
Zur Verkleinerung gehört auch, dass wir jetzt mehr Fläche der Natur überlassen und damit Nahrung für Vögel und Insekten bieten: Wir haben eine Blumenwiese angelegt und mit alten Obstsorten, die wenig ertragreich sind, eine Streuobstreihe gepflanzt. Auf einem Hektar wächst Kleegras als Gründüngung. Und wir erhalten ein altes Gartengrundstück mit Johannisbeerbüschen und Obstbäumen.

Koppert: Im Winter haben wir am Wegrand einen Nussbaum gepflanzt, so wie das früher als Schattenspender für die Pferde üblich war. Heute stehen da keine Pferde, aber Schatten ist für unsere Ernte auch gut. Wir tragen so zum Erhalt der alten Kulturlandschaft bei.

Ribbat: Wir haben inzwischen sogar ein Leben neben der Gärtnerei. Bis wir vor fünf Jahren unseren Marktstand an der Tiefburg aufgegeben haben, waren wir 20 Jahre bei keiner Abendveranstaltung gewesen – unter der Woche sowieso nicht, am Freitagabend haben wir bis 23 Uhr den Marktwagen gerichtet und sind dann um 5 aufstanden, um den Marktstand aufzubauen, am Samstagabend konnten wir wegen Übermüdung nirgends hin.

Koppert: Seither gehen wir am Freitagabend Tanzen.

Ribbat: Und ich singe in einem Chor mit.

Frage: Das klingt ja ganz optimistisch und nach einer neuen Balance?

Koppert: Wie lange wir durchhalten, wissen wir nicht. Es gibt keine verlässliche Perspektive. Unsere beiden Söhne haben andere Berufe gewählt. Einerseits erlebe ich, was gerade um uns herum geschieht, als Aussterben der alten Gärtner- und Gartenbaukultur. Andererseits stapeln sich bei uns z. Z. die Anfragen wegen eines Ausbildungsplatzes oder Möglichkeiten, bei uns mitzuarbeiten.

Ribbat: Das sind erstaunlicherweise oft Leute mit abgeschlossenem Hochschulstudium in einem ganz anderen Fach. Da zeigt sich ein neues Interesse am Gartenbau, oft verbunden mit dem Bedürfnis nach einer handfesten und ökologisch sinnvollen Arbeit, die einen auch selbst erdet.

Koppert: Für uns ist wichtig, dass wir gerade wieder einen Weg für uns gefunden haben.

Zur Geschichte der Gärtnerei Wiesenäcker lesen Sie hier ein früheres Gespräch mit Koppert & Ribbat: „Biografisches, Traditionen, Bio-Boom“. »

Die Fragen stellte Claudia Koppert – mehr über sie finden Sie hier. »